Ode an den Kochel-Fels

Wer schon dort war, weiß wovon die anderen reden, wer’s allerdings noch nicht geschafft hat, sollte es probieren, oder vielleicht auch lassen. Komisch soll’s sein, und ungewohnt, ganz eigen und dann auch noch relativ bis ziemlich mega-super-schwer. Einige denken, da gehen nur die Cracks und die Freaks der Szene hin, andere kommen immer wieder gern mit der Quintessenz, dass hier viel gelernt werden kann und das eigene Entwicklungspotenzial enorm gepusht und ausgereizt wird. Die Rede ist vom Kochel-Fels

Die Felsen schmiegen sich hier in die Landschaft im südlichen Teil von Kochel, beginnend ab dem Kienstein, mit seinen vielen ausladend aussehenden Routen und einem knackigen Zustieg. Abgesehen vom Patensektor, dessen Bewertungen irgendwie aus der Reihe purzelt und scheinbar wirklich zutrifft, scheint der Rest hier abzuschrecken – bis hin zur Schlehdorfer Wand, irgendwo in den Tiefen unterhalb des Herzogstand-Heimgarten-Massivs.

Doch nicht alles was man hört, muss auch stimmen. Ja es ist richtig, dass die Wände in Kochel oft abschreckend wirken, allein durch ihre anmutige Größe, die einem Sportklettergebiet viele lange Routen beschert. Ja auch beim Anblick der Bilder im Führer mit Toni dem „Stier von Kochel“ Lamprecht in dynamischen Posen an überhangenden grauen Kalkleisten und staubigen „Ich-bin-gar-kein-Tritt“-Tritten. Und ja, wie bereits eingangs erwähnt, ist der Kochel-Fels im Klettergebiet von der Felsstruktur und auch der Routenidee gewöhnungsbedürftig. Doch diese Perle, eben dieses Gebiet mit seinen vielen herausfordernden Felsen, den vielen Routen und den enormen Möglichkeiten bietet so viel mehr, als die Kritiker oft glauben lassen. Nebst Sportkletterrouten natürlich auch enorm viele Boulder(gebiete) und eben genau diese Kombination inklusive der breiten Auswahl an Schwierigkeitsgraden ist die Grundlage für die Kochler Kletterschule. Eine Herausforderung durchzogen von Routen im 9. bis 11. UIAA Grad, zwischen denen sich auch für die Normalsterblichen immer wieder schöne Linien finden, die durchwegs machbar sind, auch wenn der erste Eindruck oft abschreckt.

Nehmen wir doch mal, abgesehen von den bekanntesten Wänden ohne Zustieg (Wiesenwand, Keltenwand, Untere Seewände), eine Wand mit weniger Anlaufzeit – die Atlantiswand. Die Atlantiswand ist das ultimative Testpiece und lädt allein bei der Ankunft schon aus und doch finden sich hier, gerade im Sektor „Krieg der Steine“ oder „Herbst und Heroin“ Routen im 7./8. Grad, die sich sehen lassen können. Oder noch etwas tiefer gelegen findet sich die „Riversidewall“ mit einer kleinen feinen Auswahl an tollen Routen im 7. Grad, geschmückt von einem 5er und einem 6er, alles machbar mit kleinen Einzelstellen, die zum Denken und „Sich-trauen“ einladen.

Selten habe ich selbst so viel gemeckert und geflucht, wie an der „Afrikawand“ oder der „Rockywand“, die vermeintlich Hakenabstände bieten, die sich gewaschen haben. Komischerweise war die Ärger-Mühe meist umsonst, denn jeder Haken war so gesetzt, wie er sein sollte, um gut Clippen zu können und die einzelne Stelle meist leichter, als diese sich am Anfang anfühlt.
Kochel wandelt irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn, zwischen Hoffnung und Verzweiflung, Brutalität und Liebe. Die Kochler Erschließertruppe wird auch nicht müde, neue Sektoren frei zu räumen, zu putzen, herzurichten und zu investieren, damit die Kletterschule der Kochler Felsen immer neue Herausforderungen bereit hält.
Bedenkt man, dass Adam Ondra hier mit „Baby Basher“ an der Afrikawand seine erste 10+ geklettert ist – mit elf Jahren (!!). Dann trägt der Kochel-Fels auch zur neuzeitlichen Klettergeschichte bei.

Es gibt Wände, da lohnt sich nicht mal der Zustieg, scheinbar. Die Panoramawand ist so ein Phänomen. Panorama findet sich da quasi keins, denn der Name lügt, aber Routen finden sich da und die fordern auch den gestandenen Kalkkletter. Acht Routen im Bereich 7-8, ganze 13 Routen von 9-10.
Lohnend sind definitiv die „Sonnenwand“ mit ihren verhältnismäßig vielen Routen für den durchschnittlichen Kletterer im Bereich 6. Grad bis unterer 8. Grad. Oder wer auf mehr Luft unter den Füßen steht, sollte sich das „Reservat“ nicht entgehen lassen. Hier finden sich nebst einer Hand voll leichten Einsteigerrouten ganz besondere Seillängen zum Sportklettern. Besonders hervorheben möchte ich hier die Route „Kochelmonster“ (5+), die über verschiedene Routen im 5. bis oberen 7. Grad erreichbar ist und durch einen imposanten Kamin (mit Blick nach draußen noch imposanter) führt.
Kochel ist, um es mal auf den Punkt zu bringen, irgendwie IRRE. Irre cool, irre verspult, irre hart, irre gewachsen und irre herausfordern, aber einfach auch irre imposant, irre schön und auch irre lohnend. Aber bedenke, nicht verzagen, Kochel wagen. Nimm dir Zeit und lerne den Fels kennen, dann geht’s leichter, auch wenn’s dafür mehrere Anläufe braucht, es ist irre lohnend.