Korsika – Granit, weißer Sand, Felsnadeln und glasklares Wasser

Pfingsten 2017, ein junges Paar in einem vollgepackten Auto fährt Richtung Süden, es ist ein Freitagabend. Ziel: Der Hafen von Livorno, denn dort legt die Fähre ab, die diese beiden zu einer zweiwöchigen, wunderbaren Reise in und um Korsika bringen soll. Der Plan: ankommen und von Klettergebiet zu Klettergebiet ziehen, eine Insel umrunden, Bild- und Videomaterial sammeln und am Ende wieder heil im geliebten bayerischen Oberland ankommen. Die zwei in dem Auto sind Steep Paradise Teammember, Merinomate und [SN] Super.Natural Ambassador Andreas mit seiner Lebensgefährtin Anna.

Soweit zu dem was kommen soll.

Im Detail sieht das Ganze dann so aus:
Freitagabend mit dem Auto los und Samstag mit der Fähre von Livorno nach Bastia übersetzen. Von dort geht es – nach einigem überrascht Schauen, wie bergig diese Insel ist – direkt Richtung Saint Florent und auf einen Campingplatz etwas nördlich. „Camping A Stella“ unterhalb von Farinole im Norden von Korsika. Bei Ankunft gibt es die erste Überraschung: Das Zelt bauen die beiden quasi zwischen vielleicht acht weiteren Campinggästen auf. Es ist trotz Pfingstferien noch Vorsaison und sehr wenig los.
Die erste Nacht zum Akklimatisieren verläuft reibungslos und schon am nächsten Tag geht es, nach einem kurzen Frühstück, zum ersten Korsika-Kletterfelsen. Der „Monte Canarincu“ ist ein Kalksteinfels mit Muschelbruch- und Sandablagerungen, die sich horizontal durch den Fels ziehen und so kleine, sehr zerbrechlich wirkende, feine Tritte und Griffe an der meist plattigen Wand bilden. Die vielen leichten Routen sind zum Einsteigen in die Kletterei bestens geeignet. Im Anschluss starten die wir zum Sektor „A Serra“, zu dem uns eine private Straße den weg versperrt. Zwei Kilometer laufen, wollen wir aber bei den 25 Grad auch nicht und drehen um. Ziel: das Meer am Campingplatz.

Die Reise geht einen Tag später von dort über Saint Florent in die „Desert des Agriates“ und einem Tag an dem wir Saint Florent mit vielen Stunden glasklarem Wasser und einer einsamen Bucht verbinden. Auch hier sind wir allein in der Bucht, nur ab und an wandern ein paar Touristen an uns vorbei. Die Steinwüste von Agriates bietet atemberaubende Felsformationen und spannende Fotomotive, eine schier unendliche Weite von Wegen und kleinen Buchten, Sandstränden und Natur pur auf Korsika.
Diese Station verlassen wir jedoch, um weiter in Richtung der nächsten Klettergebiete zu ziehen. Sehr zu empfehlen als Homebase ist der Campingplatz „Les Oliviers“, denn von hier sind es in die Klettergebiete am Nord-West-Eck der Insel meist nur einige Autominuten. Besonders reizvoll ist hier der weiße Granit und ein Gebiet namens „I Curriali“. Weißer Granit durchzogen von Rissen und Spalten. Die Augen werden groß, bei so viel Möglichkeiten, die in allen Graden dazu einladen hier den ganzen Tag zu verbringen. Und dieser Spot bietet noch so viel Potenzial, das bisher ungebohrt ist – ach Korsika. Routen in den Graden 3 bis 8a sind hier vertreten, unter anderem ein spektakulärer Doppelriss, der sich sanft nach links geneigt den Fels hinaufzieht und nichts zu wünschen offen lässt.

Die folgenden Tage waren gefüllt mit dem Besuch des Bergdorfs Sant’Antonino, wohl eine der „plus belle cités de la France“. Insgesamt an sich sicher nett, aber bereits sehr überlaufen. Kleine Gassen ziehen sich durch die Stadt, die auf einem Hügel steht und einen enormen Weitblick zulässt. Uns kann dieses Dorf jedoch nicht ganz überzeugen, denn dafür fehlt uns der historische Charme und die entsprechende Lebendigkeit im Dorf. Wir treffen nur eine Hand voll Bewohner, was einen sehr verlassenen Eindruck vermittelt.
Weiter besuchen wir in diesen Tagen die Stadt Calvi und seine Zitadelle und finden dort das erste Mal eine Möglichkeit korsische Handwerkskunst zu filmen, in einem kleinen Atelier am Stadtrand. Scheinbar scheint Korsika in seinen Ursprüngen nur wenig pulsierend zu leben und im Strom der Zeit immer mehr stehen geblieben zu sein. Dennoch bietet Calvi eine gewisse Schönheit als Hafenstadt und lädt mit breiten Gassen und langen Treppen zum schlendern ein.
Nebst Calvi und Saint’Antonino klettern wir noch im Gebiet um „Lumio“ an weißem, plattigem Granit mit einem Zustieg durch Gestrüpp und Geäst, der hier in Korsika mit etwas mehr als 20 Minuten vom Auto (welches vor dem Ort stehen bleibt) doch zu den längeren gehört.

Das absolute Highlight der Kletterei bringt uns aber ein Tag an der „Isola Rossa“. Eine Insel, die nur durch eine Kaimauer mit dem Festland verbunden ist und einen idyllischen Kletterspot mit scheinbar noch unendlich Potenzial bietet. Die rot-gelben Felsen ersteigen aus einem Meer von grünen Pflanzen die sich den Hang hinunter bis ans glasklare Wasser ziehen. Ein altes, verfallenes Gebäude steht dort kurz vor dem kleinen Kiesstrand. Diese Location ist perfekt für die Bilder die wir noch machen wollten und bietet Anfängern ein paar schöne, gut abgesicherte Routen, für alle die bis 6a klettern lohnen sich die Routen im rechten Wandteil. Regelmäßig fährt an der Straße zum Leuchtturm eine Toursiten-Bimmelbahn vorbei, die dann auch kurz innehält, um den Fahrgästen einen Blick auf die Kletternden zu gewähren.

Von diesem Meer an Möglichkeiten ziehen wir dann doch weiter, um über die kurvige Küstenstraße an der Westküste Korsikas nach Porto zu fahren. Einen Zwischenhalt bauen wir beim Fango-Tal ein. Hier erwartet uns eine wunderschöne Wasserwanderung. Besonders schön, es lässt sich entweder flussaufwärts und abwärts schwimmen oder eben auf dem Wanderweg hochlaufen und dann den Fluss runter schwimmen. Wir entscheiden uns für zweitere Variante und mit ultraleichtem Gepäck geht es los, immer am Wasser entlang hinauf. Irgendwann knicken wir einfach direkt ins Flussbett ab und drehen um, um über kleine Wasserfälle und Felsvorsprünge durchs kühle Nass zu schwimmen, springen und rutschen. 
​Unsere nächste Station mit dem Versprechen einer feinen Granitwand, direkt am Meer und Nordausrichtung, denn langsam wird es warm in Korsika und die anfänglichen 25 Grad sind inzwischen zu knappen 30 Grad geworden und die Sonne beginnt unerbittlich zu brennen beim Klettern. Nach schier unendlichen Stunden in Kurven und Kehren erreichen wir dann den malerischen „Golf du Portu“. Stellung beziehen wir hier auf dem städtischen Campingplatz, da dieser nur zehn Gehminuten von Strand und Fels entfernt ist und auch das unglaublich schöne Hafendorf Marine du Portu zu Fuß gut erreichbar ist. Den Fels wollen wir am nächsten Tag genauer angehen, also früh raus und los. Bisher hatten wir ja immer das Glück an den meisten Spots allein oder mit maximal zwei weiteren Seilschaften klettern zu können. Eine wirkliche Empfehlung ist das Restaurant „Le Palmier“, welches zu einem Abendessen mit reichhaltigen Gerichten und einer breit gefächerten Auswahl an Möglichkeiten zusätzlich durch einen Blick vorbei an Granitfelsen auf das Meer einlädt. Diese Location an sich ist die kurvenreiche Anfahrt mehr als wert.

Nach einer weiteren Nacht im Zelt dann der frühe Start an die nordseitige Wand direkt am Strand zu wunderbar schöner Kletterei am Granit mit Meerblick. Schwierigkeiten zwischen 3 und 7a sind hier möglich und das vielen verschiedenen Varianten mit Rissen, Auflegern und viel Reibung unter den Füßen. Wir können hier fast den ganzen tag klettern und entscheiden uns dann weiterzufahren und zwar, um die goldene Stunde zu nutzen und die „Calanches de Piana“ noch zu fotografieren und zu durchfahren. Die Felsnadeln und das gesamte Gebiet darum sind Teil des Weltnaturerbes. Sagenhafter roter Stein mit einer kurvenreichen Straße und unglaublichem Ausblick. Am Ende der Strecke erwartet uns ein eine einzelne Formation, die vom richtigen Punkt aus betrachtet eine romantische Herzform umschließt. Hier ist klar, dass auch der Quadrokopter nochmals einen Einsatz haben sollte um dieses Spektakel im richtigen Licht aufzunehmen.Kreidefelsabbrüche vor Bonifacio im SüdenDer Rest der Reise geht dann relativ einfach von Statten. Nächster Halt ist ein Campingplatz kurz vor Bonifacio, um am nächsten Tag dann die Stadt auf den Kreidefelsen zu besuchen. Viele Aufnahmen in den kleinen Gassen, ein gutes Mittagessen und 187 Stufen an der „Escalier du Roi Aragon“ runter und wieder rauf bescheren uns einen wunderbaren Tag, doch am selben Tag wollen wir noch an einen der wunderbaren Ostküstenstrände und dort die Seele baumeln lassen.

In Richtung Porto Vecchio ist eben genau solch ein Strand ausgeschrieben, doch dieser ist dann auch unglaublich überfüllt und wir sind gezwungen umzuswitchen. Der Nachbarstrand ist leerer und wir können die Sonne und vor allem auch die Ruhe genießen. Eine weitere Nacht auf einem der zahllosen, fast leeren Campingplätze (wir sind immer noch erstaunt, dass die Campingplätze um diese Jahres- und Ferienzeit doch noch so leer sind, voller als im Norden aber immer noch leer) und eine kurze Anfahrt, führen uns zu unserem wohl vorerst letzten Kletterspot: „Chisà“. Für die bisherigen Verhältnisse eine enorm routenreiche Wand, die nebst der bisher bekannten Granitkletterei vor allem ältere Routen bietet und daher auch etwas schwerer ist, als die die neu eingerichteten Wände. Gute Schwierigkeitsverteilung und schöne Westausrichtung (ohne, dass die Sonne bereits um 13:00 Uhr ums Eck spitzelt) ermöglichen uns einen tollen Tag mit ansprechender Kletterei.

Sonnenuntergang am Campingplatz „A Stella“Wir verknüpfen in diesen Tagen auch noch einen Tag mit einer Wanderung zum „Capo di Fora“, wo sich nach einer knappen Stunde vor der Küste eine Insel vom Festland abhebt, die einen genuesischen Wachturm beherbergt, der auch unbedingt noch ins Filmmaterial muss. Dieser ist allerdings nur erreichbar über eine kleine Meerpassage, die zu Fuß durchlaufen werden kann. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen. Auf dem Rückweg wollen wir diese Durchquerung eigentlich aus der Luft filmen, doch da vergisst unser Teammember einfach mal auf den Aufnahmeknopf zu drücken. Sehr ärgerlich. Die Wanderung an sich lohnt sich aber in jedem Fall, denn sie betet alles, was das Outdoorherz begehrt: Felsen, Wasser, schmale Wege.

Auf dem Rückweg zum Auto wird uns klar, dass wir noch ein paar Tage Zeit haben und beschließen unsere Rundfahrt dort zu beenden, wo wir diese begonnen haben. Am ersten Campingplatz „A Stella“ im Norden von Korsika. Gesagt, getan und im Auto den Ostküsten „Highway“ (im Vergleich zur Westküste eine schnurgerade Strecke, die auch mal 90 km/h erlaubt) rauf nach Bastia und wieder rüber zum Campingplatz. Wir gönnen uns aus der Urlaubskasse dann einen Abend im Schmaus und laufen die sieben Minuten vom Zelt über den Kiesstrand und die Felsen zum Sandstrand durch den Hohlweg zum Restaurant direkt am Sandstrand und speisen vorzüglich Spaghetti Vongole und Gambasspieße. Ein Spaziergang zurück im Sonnenuntergang beendet unsere Rundreise und langsam stellt sich Wehmut ein, denn es muss wohl auch bald nach Hause gehen. Um aber auch die letzten beiden Tage zu nutzen, begeben wir uns nochmal auf den Weg zu einem der beiden Felsen vom ersten Trip: „A Serra“ und diesmal ignorieren wir getrost das Privatanwesen-Schild und fahren bis zum ausgeschriebenen Parkplatz. Der Abstieg zum Fels durch Gestrüpp und stachelige Pflanzen wir belohnt mit einer unglaublichen Felsformation, die den ganzen Tag irgendwo Schatten bietet, da der Fels rundherum kletterbar ist. Es sind viele ausgespülte und verwachsene Felsformationen und diverse Schwierigkeitsgrade verfügbar, nebst Sportkletterrouten bis 15 Meter gibt es auf der Nordseite einige die knappe 25 Meter haben und auch mehrseilige Möglichkeiten, die sich lohnen. Wir beschließen unseren wirklich letzten Klettertag mit zwei wunderbaren Plaisirrouten im 5b/5c Bereich und machen uns auf den Rückweg durch die Dornen (der bei der Hitze dann doch noch einiges an Kondition vom bereits ausgepowerten Kletterer verlangt).

Den letzten Tag unserer Reise verbringen wir dann noch in Erbalunga und Bastia. Bastian an sich bietet eine schöne Citadelle mit einigen tollen Restaurants und der wohl besten Pizza unseres Lebens und dem süßesten Klo aller Zeiten. Absolute Empfehlung in der Altstadt von Bastia: „Chez Vincent“ und dort unbedingt diese Pizzen probieren (genialer Tipp: „Reine Blanche“ – eine Pizza mit Creme fraîche statt Tomatensoße). Weiter bietet das Restaurant einen tollen Blick über den alten und neuen Hafen.
Weiter geht es dann nach Erbalunge, einem kleinen Fischerdorf mit romantischen Gässchen und tollem Blick inkl. Eines genuesischen Turms. Erbalunge hat einen ganz eigenen, wunderschönen Flair, der es sicher wert ist, diesen Abstecher von Bastia zu machen. Weiter für die Feinschmecker, beherbergt Erbalunga seit 2017 das Restaurant „Le Pirat“ mit einem Michelin Stern. Preislich nicht ganz unsere Liga, aber definitiv gut zu wissen, wenn die Urlaubskasse mal wieder mehr hergibt.

Und damit endet unsere Reise wieder in Bastia, wir verbringen die letzte Nacht auf einem Campingplatz etwas südlich von Bastia und erreichen am nächsten Morgen pünktlich unsere Fähre nach Savona für die Heimfahrt nach Bayern. Die Heimfahrt beinhaltet nur einen kleinen Stau und geht ansonsten ohne weitere Vorkommnisse von Statten. Im Rückblick werden wir sicherlich wieder nach Korsika fahren und neben dem Hinterland im Innern der Insel auch einige Bolts mitnehmen, um neue Routen zu bohren und natürlich, um den ein oder anderen Ort erneut zu besuchen.